Rheinmarathon ´19 - „Nur noch 7 km“
von Diana Wagner
„Nur noch 7 km“
Wenn man sich über so einen Satz auf einer Ruderregatta ernsthaft freut, sich nicht über das „nur“ wundert sondern sich denkt, dass es dann ja langsam Zeit wird nochmal ordentlich Gas zu geben, kommt einem das schon kurz etwas merkwürdig vor.
Aber jetzt nochmal weiter vorne angefangen:
Im September stand ich vor der Wahl: am ersten Oktoberwochenende entweder Sprint-Landesmeisterschaften in Friedrichstadt oder mit dem RC Süderelbe zum Rheinmarathon nach Düsseldorf, also entweder maximal zwei Mal unter einer Minute Spaß im Einer auf 250m oder so um die 2 ½ Stunden 42,8km den Rhein runterrasen. Hab mich dann für die 2 ½ Stunden entschieden.
Bei der RCS-Mannschaftseinteilung bin ich dann im ungesteuerten Gig-Doppeldreier gelandet. Ungesteuert. Auf dem Rhein. Aber die Jungs waren der Meinung dass das schon läuft, warum sollte ich da widersprechen. Und ist ja schon cool wenn man sich das Gewicht vom Steuermensch sparen kann, das wirkt sich auf jeden Fall nicht nachteilig auf´s Tempo aus. Als weiteres Boot war noch ein Mixed-Doppelvierer mit Steuermann mit von der Partie.
Am späten Abend des 3.10., quasi kurz vorm 4.10., trudelte ich, nachdem ich festgestellt hatte dass das Rheinland in der Tat ein ordentliches Stück weit weg ist, genau richtig bei der Germania Düsseldorf ein um mitzuerleben wie der Rest meiner Reisegruppe, der schon deutlich früher da war und den Abend noch in der Stadt verbracht hatte, mit wachsender Dringlichkeit versuchte in das Bootshaus und endlich in die dort schon bereitliegenden Schlafsäcke zu kommen. Nach hartnäckigem Geklopfe und Geklingel an den zahlreich vorhandenen Eingängen und wiederholtem Hausmeister anrufen wurde tatsächlich geöffnet und alle konnten sich zur ersehnten Nachtruhe begeben.
Am nächsten Morgen fuhren wir dann nach dem Genuss eines extra für uns (wir waren bis dahin die einzigen Übernachtungsgäste) hergerichtetem Frühstücksbuffets mit dem Bootsanhänger nach Leverkusen, abladen, alles zusammenschrauben, den Gig2x+ auf Gig3x- umbauen und beide Boote rheintauglich machen. So war zumindest eigentlich der Plan. Auf Grund des Dauerregens beschränkten wir uns aber auf die ersten drei Punkte, die Sache mit der Rheintauglichkeit wurde auf den nächsten Vormittag verschoben. Wir wollten es bei den Pumpen und Batteriekästen nicht auf einen Langzeit-Wasserdichtigkeitstest ankommen lassen, und Klebeband zum Fixieren des ganzen Geraffels hätte bei der Nässe auch nicht gehalten.
Nachdem alles so weit zurecht war ließ sich beim 3x- eine Differenz zwischen der Anzahl der Rollsitze und der der Stemmbretter erkennen. Trotz mehrmaligen Durchzählens änderte sich nichts an diesem Missverhältnis, es blieb beim 3:2 für die Sitze. Auch im Bootshänger war nichts mehr drin, wir hatten es also tatsachlich geschafft ein elementares Einzelteil unseres Bootes in Harburg zu vergessen.
Unsere erste Hoffnung waren die Leverkusener, dass eventuell in deren Bootspark etwas passendes ausgebaut werden konnte. Dort war aber alles entweder zu schmal oder zu breit, so dass wir schon anfingen wilde Pläne zu schmieden, in denen ein Baumarkt, ein Stück Holz, eine Säge, ein paar Schrauben und eins von den zu schmalen Stemmbrettern involviert waren. Parallel kam uns aber auch zu Ohren dass die Wandsbeker (Günters Schleimöwe-Team) erst mittags losgefahren waren, und ein kurzes Telefonat ergab, dass sie, da sie noch eine gute Stunde im freitäglichem Hamburger Stadtverkehr festgesteckt hatten, zu diesem Zeitpunkt erst kurz hinter der Stadt in staubedingter Schleichfahrt auf der Autobahn dahin krochen, sich also ganz in der Nähe unseres Stemmbrettes befanden. Es musste also nur noch ein Kurier her. Der fand sich auch in Süderelbe und raste denn in vermutlich ebensolcher Schleichfahrt dem Bootstransport hinterher. Nun hieß es warten. Auf einem Rastplatz („also Bremen ist mittlerweile näher als Hamburg“) wurde schließlich die wertvolle Fracht übergeben, also alles gut. Bis auf die Schande, die einem natürlich ewig anhängen wird („Wie kann man ein Stemmbrett vergessen???“).
So hatten wir dann für den Rest des Tages frei, Team Schleimöwe würde noch eine ganze Weile brauchen. Die Zeit wurde entspannt vertrödelt, und abends ging´s zum Essen in ein kleines Brauhaus. Irgendwann trudelten die Wandsbeker ein, meldeten dass sich das Stemmbrett nun im Boot befindet und bekamen für ihren heroischen Einsatz die wohlverdiente Kiste Bier überreicht.
A m nächsten morgen ging es früh los, wir mussten uns ja noch um besagte Rheintauglichkeit kümmern, und unser erster Start war schon um 11:45 Uhr. Nach einem ausgiebigem Frühstück ging es also wieder rüber nach Leverkusen. XXL-Wellenbrecher anschrauben, Pumpe einbauen, Wellenabweiser an den Auslegern anbringen, Stemmbrett einsetzen, Fußsteuer klar machen, Ersatzskulls verstauen, dann noch die Klamotten für nach dem Rennen und etwas Verpflegung ins Boot, zu guter Letzt die Startnummern (111) an den Bug kleben, fertig.
Gegen halb 12 trugen wir unser Boot zum bereitstehendem Wagen, und dann ging es Richtung Steg und ab aufs Wasser. Der Plan sah vor ein kleines Stück gegen den Strom hochzufahren, alles soweit einzustellen, wenden und dann mit Schwung über die Startlinie. Allerdings erwies sich bei uns die Fußsteuerung noch als unkooperativ, die Leine hielt nicht vernünftig, unser Bugmann konnte also seinen Fuß bewegen ohne dass etwas am Steuer ankam, das war natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Nach einigem Gezuppel und Geziehe und Geknote bekamen wir dies aber unter Kontrolle, sogar so gut dass das Boot bei neutraler Fußstellung geradeaus fuhr, was will man mehr. Im nachhinein wurde uns berichtet dass wir zu dieser Zeit schon mehrmals am Start aufgerufen wurden, davon hatten wir aber zum Glück nichts mitbekommen. Anscheinend ist es bei dem Marathon auch eher ein Zeitfenster bzw. Richtwert in dem man über die Linie soll, die Uhr lief für uns also nicht schon Punkt 11:45 los…
Nun waren wir also unterwegs. Das Wetter zeigt sich von seiner besseren Seite, gelegentlich sonnig, kein Regen, und nur Stellenweise Gegenwind. Immer wieder kamen uns Binnenschiffe entgegen, manchmal auch recht nah an uns vorbei, damit verbunden war jedes Mal ordentlicher Wellengang. Aber dank des im Vergleich zu den 4ern recht kurzen Bootes schlug uns das Wasser kein einziges Mal über die Bordwand.
Die ersten 10 km waren zumindest für mich ekelig, aber schließlich sahen die Beine dann doch ein dass das jetzt so weiter geht, dass da auch kein Beschweren hilft. Zwischenzeitlich überholten wir ein paar Boote, und nach dem ersten Drittel gab es eine kurze Pause. Jeder hat nacheinander für einige Schläge ausgesetzt um schnell ein paar Schluck zu trinken, dann ging es weiter. Die mittleren 20 km flogen dagegen so an einem vorbei, unterbrochen nur von einer weiteren kurzen Pause nach zwei Dritteln der Strecke, wieder nacheinander, kurz was trinken, Riegel mampfen, den Druck an den Skulls weicher stellen, und weiter ging´s. Zu der Zeit waren wir gerade wieder dabei zwei Boote zu überholen, und wir konnten diese tatsächlich halten obwohl nur zwei am rudern waren.
Das Weicherstellen des Drucks war eine verdammt gute Idee, vielleicht lag es auch an der kurzen Pause, aber danach lief alles doch gleich wieder besser von der Hand. Bald kam dann die Ansage dass wir auf den letzten 10 km sind, dann 8, dann das erwähnte „nur noch 7 km!“. Außerdem wurde aus dem Bug verkündet dass vor uns noch ein paar Boote sind die wir kriegen können, also los, je mehr man noch einholt desto weniger stehen vor einem in der Schlange zum Anlegen. An noch zwei Booten vorbei, die letzten 4 km wurden dann in 500m-Schritten runtergezählt, unter der letzten Brücke durch (800m), am Steg der Germania vorbei und endlich die Zielhupe. Geschafft.
Die Schlange am Steg war gar nicht so schlimm lang, das Wetter hielt sich immer noch, also reihten wir uns ein und warteten. Das übelste daran war eigentlich der schmerzende Hintern, das zog bis zu den Kniekehlen runter, ich habe eindeutig zu wenig Sitzfleisch für solche Veranstaltungen. Als wir an der Reihe waren zog man uns an den Steg ran, wir stiegen mehr oder weniger (eher weniger) elegant aus, und dann kam der Knaller, uns wurde das Boot bis hoch zum Wagen getragen! Ich glaub ohne die Hilfe hätten wir uns auch ziemlich gequält, der aufrechte Gang war doch noch etwas mühselig. Auf jeden Fall erklärte diese Taktik den reibungslosen Ablauf beim Rausholen der Boote, es mussten immerhin 169 davon über einen Steg wo nur einer zur Zeit anlegen konnte.
Wir schoben unser Boot also zum Süderelbehänger, und dort wurde dann wieder alles auseinandergenommen. Wir wurden genau richtig fertig mit dem Verladen um uns den Zieleinlauf unseres Mixed4x+ anzuschauen.
Als auch deren Boot auf dem Anhänger lag gab es für jeden ein regeneratives Altbier, außerdem hingen mittlerweile die Ergebnisse aus. Wir hatten es tatsächlich aufs Treppchen geschafft, Zweiter Platz bei den offenen 3x-, nur 12 Sekunden hinter dem Ersten, in einer Zeit von 2:23:24, über alles auf Platz 22 von 169 gestarteten Booten. Das war doch gar nicht mal sooo schlecht.
Nachdem alles geehrt war (Team Schleimöwe gab ein besonders hübsches Bild ab) ging´s unter die wohlverdiente Dusche, eine Pizza zum Abendbrot, und dann ging auch schon die anscheinend berühmte AfterRow-Party los, laut den Wandsbekern die 5. Phase der Regeneration, ein schöner Abschluss für ein gelungenes Wochenende.